Religionskritik nach Freud
Sigmund Freud (1856-1939) greift insbesondere die philosophische Religionskritik Feuerbachs und Marx psychoanalytisch auf.
Argumentation
Projektion des Himmelsvaters
- Der Mensch wird mit dem Bedürfnis nach Schutz geboren, welches in der Kindheit im Vater und später in Gott gesucht wird (hier auch Gerechtigkeit, Ordnung und ewiges Leben)
- Der Mensch projiziert den Vater mit seinen Stärken und Schwächen zum allmächtigen Gott (auf der einen Seite strafend, auf der anderen schutzspendend und tröstend) à eine Zwangsneurose existiert, weil die Ablösung vom Vater nicht verarbeitet wird
- Gottkomplex: Der Glaube an Gott ist psychischer Infantilismus, in Abhängigkeit zu Gott bleibt der Gläubige Kind
Gott als Projektion des kindlichen Gefühls der Einheit
- Das Kleinkind empfindet Einheit, das Ichgefühl entsteht beim Erwachsenen durch Trennung von Innen- und Außenwelt
- Das vom Kleinkind empfundene Gefühl der Einheit verbleibt in tiefen Seelenschichten erhalten
- Dieses Gefühl kann durch Offenlegung (z. B. in der Psychotherapie) oder Projektion in das Jenseits ergründet werden
- Auch die Wünsche werden projiziert
- Insgesamt ist die Religion wie bei Feuerbach eine Illusion
Gott als Reaktion auf das Übel
- Das Übel ist nicht aus der Welt zu schaffen à es wird eine jenseitige Instanz gesucht, welche vom Weltenübel erlöst à hierdurch soll die Not des Lebens erleichtert werden – und das Gewicht des Lebens leichter zu tragen
- Allerdings sollte der Mensch seine Endlichkeit akzeptieren und den Sinn des Lebens in der irdischen Welt suchen
- Zudem gibt der Glaube an die empirisch untermauerte Wissenschaft mehr halt
Gottes Abschaffung als moralischer Vorteil
- Wenn man sich den menschlichen Ursprung der Vorschriften eingesteht, kann man die Starrheit und Unwandelbarkeit der Gebote und Gesetze fallen lassen, neue bessere erschaffen und sich auch eher mit diesen identifizieren, weil sie im Selbstzweck geschaffen sind
Ablehnung des Christentums
- In der Trinität und dem Marienkult kommt es zum Zurückfall in einen gewissen Polytheismus und somit eine sinnliche Religion, das vom Bilderverbot geprägte Judentum ist hingegen geistig fortschrittlich
Kritik
- Freuds Erklärung sagt über die tatsächliche Existenz eines Gottes nichts aus
- Das Gotteserlebnis lässt sich nicht auf väterliche Abhängigkeit beschränken
- Wunschdenken lässt sich nicht mit Infantilität gleichsetzen
- Die Religion fordert häufig den Verzicht auf Wünsche
- Der Blick auf die Wissenschaft ist eventuell zu optimistisch, viele Entwicklungen werden nicht als haltgebend wahrgenommen
Empfehlungen
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